Brief an einen Vermehrer

Brief an einen Vermehrer

Die Anredefloskel spare ich mir – es will mir einfach keine, der Situation und der Beziehung, die wir zu Ihnen herstellen mussten, angemessene einfallen.

Dies ist kein freundlicher Text.
Er behandelt kein schönes Thema und hat einen tragischen Hintergrund.

Tierschutzorganisationen arbeiten gelegentlich zusammen, und das ist auch gut so. An uns wurde herangetreten mit der Bitte, mehrere Ihrer Hündinnen zu übernehmen, da Ihnen u.a. durch Auflagen des zuständigen Veterinäramtes die Zucht verleidet wurde und der „Betrieb“ rasch aufgelöst werden musste. 11 (!)Welpen und mehrere Hundemütter mussten schnellstens anderweitig untergebracht werden.
Die Laborbeaglehilfe erhielt im Januar:
• zwei Beagle-Cocker-Welpen,
• eine frischgebackene Hundemama nebst 3 Welpen
• sowie zwei trächtige Hündinnen.
Alle Hunde waren äußerlich wie innerlich übersät mit allen möglichen Parasiten. Die Hündinnen litten unter Stresssymptomen, sie bluteten.
Beide zogen nach Verl, Pflegestellentagebücher sind bereits online.

Die Mix-Welpen sind in freundlichen Pflegestellen untergebracht worden und konnten inzwischen auch in ein Zuhause vermittelt werden. Es ist ein Glück, dass diese beiden Hunde offenbar keine gesundheitlichen Schädigungen aufweisen.
Die Mutterhündin mit ihren drei (noch verbliebenen?) Welpen zog in eine teaminterne Pflegestelle.

Welpen, die man inzwischen übrigens fast in Gold aufwiegen könnte, so hohe Tierarztkosten haben sie bereits produziert – aber dass braucht Sie ja nicht zu kümmern. Ebenso wenig wie das Leid der Pflegestelle, die sich in den ersten schwierigen Tagen täglich mit dem Jammer der kleinen Hunde, die sich kaum auf den Beinen halten konnten, konfrontieren musste. Die den Tod des einen und die ständige „24/7“ Sorge um die beiden anderen mit Krämpfen und Futterverweigerung stemmen musste. Damit haben Sie ja nun keine Last mehr, wie schön für Sie. Empathie scheint ohnehin keine Eigenschaft zu sein, mit der man sich in diesem Geschäft belastet.

Wir neigen wahrlich nicht dazu, Feindbilder zu konstruieren, aber so ganz wert- und emotionsfrei lässt sich mit diesem Thema gerade leider nicht umgehen. Wir sind nämlich Betroffene! Ja, durchaus freiwillig, denn wir haben ziemlich schnell „hier!“ geschrien, als es hieß, es müssen Beagle untergebracht werden.

Wir waren wütend, hilflos, sprachlos. Wir dachten darüber nach, Anzeige zu erstatten wegen des schlimmen Zustandes, in dem die Hunde vegetieren mussten. Diese – Ihre! – „Zucht“ ist aufgelöst, weil Sie, der Vermehrer, die Auflagen nicht erfüllen konnte oder wollte. Woanders wird munter weitervermehrt.
Meine gute Erziehung (und das Strafgesetzbuch) verbietet mir, in klaren Worten darzulegen, was ich Leuten , die mit Tieren derart verfahren, wünsche…
Unser Verein und das Forum unserer Homepage setzt sich zusammen aus Menschen, die sich um ihre Tiere sorgen, die für sie sorgen, die mit ihnen und auch für sie leiden und sie lieben. Wir haben schon mehrmals über unsere Ansichten zu Vermehrungen geschrieben, und wir setzen voraus, dass allen Lesern die Problematik bekannt ist.

In diesen Tagen erleben wir leider live und in Farbe, wie es ist, mit den Produkten und den Leidtragenden der Massenproduktion. Und offen gesagt: wir kriegen das Brechen, wenn wir sehen, wie es endet.

Am 28.01. wurde uns durch die teaminterne Pflegestelle ein Video zur Verfügung gestellt, das zeigt, dass die kleinen Welpen sich kaum bewegen können. Wir schoben dies zunächst auf die bisherige Mangelentwicklung in Kälte und mit schlechter Ernährung. Eine hinzugezogene Physiotherapeutin versorgte die Pflegestelle mit Übungen und Tipps, um den Hundekindern auf die Beine zu helfen. Es ergab sich dennoch der Verdacht einer neurologischen Schädigung, möglicherweise einer Virus-Erkrankung.
Am 30.01. musste die kleine Hope eingeschläfert werden. Mehrere schwere Krampfanfälle machten ihr ein Weiterleben unmöglich.
Am 01.02. begann der kleine Rico ähnliche Symptome zu zeigen. Durch umsichtiges Handeln der Pflegestelle und einer guten Zusammenarbeit mit der behandelnden Tierärztin konnte Rico aber mithilfe von Antibiotika stabilisiert werden, er hat sich mittlerweile erholt und verhält sich größtenteils so, wie man es von einem Hundewelpen erwartet (siehe die wunderbaren Fotos & Videos im Pflegestellentagebuch).

Hope ist obduziert worden, weil wir Gefahr für das Leben der anderen in der Pflegestelle befindlichen Hunde befürchten mussten.
Hopes Tod ist auf die üblen Zustände ihrer Herkunft zurückzuführen, die ihren Organismus neben einer Reihe Würmer und Infektionen, verbunden mit Mangelernährung, zu sehr schwächten. Sie starb an einer Lungenentzündung.

Als wir die Nachricht bekamen, dass wir Welpen und (zunächst nur eine) trächtige Beaglehündin übernehmen können, war die Freude (und die Erleichterung über das Ende des Martyriums zumindest für diese Hundemama) groß. Es juckte uns in den Fingern, euphorische Meldungen zu verfassen à la „WIR WERDEN MUTTER“ und/oder „WELPENALARM“.
Das sichtbare Elend der Welpen und dann der Tod der kleinen Hope hat uns schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Wir hoffen, dass Debbie und Dolly, die beiden Beagledamen, die hiermit garantiert zum letzten Mal werfen müssen, alles, was kommt, gut überstehen – und dass nicht noch einer der kleinen Wichte die Geiz-ist-Geil-Mentalität der Menschen mit dem Leben bezahlen muss.

Diesen Artikel schreibe ich mit einem grässlichen Kloß in der Kehle. Es rumort in meinem Kopf und in meinem Bauch, vor Wut, vor heiligem Zorn auf geldgeile, gewissenlose, verantwortungslose, arrogante Menschen, die sich anmaßen, in Tieren Ware zu sehen und nichts als eine lukrative Möglichkeit, Geld zu machen.
Das Schicksal der Hunde, insbesondere der Mütter*(*es sind jedoch durchaus auch die Deckrüden bei den Vermehrern, denen ein tierwürdiges Leben verwehrt wird) ist nicht von Belang. Bei jeder Läufigkeit belegt, gehalten ohne jegliche Zuwendung und versorgt nur mit dem Allernötigsten (ein warmer Platz gehört nicht unbedingt dazu), sind diese Hündinnen einer Maschine gleich, die selbstverständlich keine Wartungskosten verursachen darf.
Inseriert werden die Hunde dann im Internet auf allen möglichen passenden Plattformen. Es sind Beagle-Cocker-Mischlinge, Beagle-Jack-Russel-Mixe, reinrassige Beagle….bestimmt gibt es irgendwo auch noch Cocker/Jack-Russel-Mixe oder weiß der Himmel was noch alles für Kombinationen. Bei dieser immensen Bandbreite auch noch auf genetisch unproblematische, gesunde Elterntiere oder die realistische Möglichkeit rezessiver Vererbung in Betracht zu ziehen, wäre vermutlich etwas viel verlangt. Aber etwas Wärme und ordentliches Futter hätten doch drin sein können? Unser Brief an Sie endet hier, in der Hoffnung, dass es zumindest Ihnen nicht mehr ermöglicht wird, auf eine solche Art mit Tieren umzugehen. Selbstverständlich, ja: es gibt Schlimmeres. Zuhauf. Im Tierschutz allgemein und bei Hunden im Besonderen, aber Ihre Hunde sind jetzt unsere, was die Sache sicher zum Besseren wendet.

Liebe Gäste und Interessenten, liebe Foris: Sucht mal nach einem Hund bei ebay-Kleinanzeigen! Ihr erhaltet unzählige Treffer, und es sind eher selten die „liebevollen Hobbyzüchter“, die noch den letzten Welpen in gute Hände loswerden wollen.
Googelt mal „Vermehrer“! Auch hier gibt es eine enorme Trefferquote, häufig mit schrecklichen Leidensgeschichten und endlosen Odysseen durch Tierarztpraxen, oft genug – zu oft – mit bitterem Ende.
Die sehr informative Website „Das Leid der Vermehrerhunde“ ist empfehlenswert für alle, die mehr wissen möchten – aber seht Euch vor. Auch, wenn man schon einiges erlebt hat in Sachen Tierschutz, ist es schwer, hier nicht mit geballten Fäusten und Tränen im Gesicht vor dem Bildschirm zu sitzen.

Dass Debbie am Valentinstag sechs (offenbar gesunde) Welpen zur Welt gebracht hat, stimmt uns etwas versöhnlicher.
Auch eine dritte trächtig „entlassene“ Hündin ist inzwischen Mama von sieben Welpen.
Dolly hat noch ein wenig Zeit.

Diese rund zwanzig neu geborenen Hunde hätten den Start ins Leben eigentlich auch in einem kalten, unwürdigen Verhau erleben sollen – wenn das Veterinäramt nicht gerade noch rechtzeitig eingegriffen hätte.
Wir möchten nicht spekulieren – aber wie viele dieser Hundebabys hätten die ersten Wochen überlebt? Wieviel „Schwund“ rechnet man denn ein, wenn man Hunde aller Art vermehrt?

Debbies Welpen und auch Dollys Wurf, der in Kürze zu erwarten sein dürfte, haben Glück gehabt und die Chance, bestens sozialisierte und wunderbar gesunde Hunde zu werden.
Die Hundemütter haben ihren letzten Wurf hinter sich bringen können.

Diana und Kathi betreuen die Welpen. Kathi schlägt sich gerade Nacht für Nacht um die Ohren, um die beiden Kleinsten der neuen Welpen zu überwachen, so dass sie von den Wurfgeschwistern nicht dauernd abgedrängt werden. Bitte drücken Sie mit uns die Daumen, dass diese kleinen Hundejungs – und die, die bei Anja bald noch erwartet werden – es schaffen, bei uns groß zu werden. Und für die Hundemütter hoffen wir, dass sie die unglaublichen Strapazen ihres bisherigen jungen Lebens hinter sich lassen können und irgendwo ein glückliches Beagleleben führen dürfen.
So, wie es sein soll.

© Marion Weigel – www.eder-beagle.de

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Marion Weigel. Vielen Dank.

Gefunden auch bei der Labor-Beagle-Hilfe.de